Freitag, 3.1. bis Dienstag, 7.1.14
Am Morgen wachen wir früh auf - heute ist der grosse Tag, an dem die Foto-Expedition in die Antarktis beginnt, unser trip of a lifetime. Wir frühstücken, vom Hotel sehen wir das Schiff am Quai,
der Rumpf leuchtet rot, die Segel sind brandneu. Wir treffen die Italiener wieder. Sie sind wegen uns etwas aufgeregt, er ist Fischer und käme wohl am liebsten mit. Wir tauschen Email-Adressen
aus und versprechen, ihnen unser bestes Foto aus der Antarktis zu senden. Dann müssen wir noch ein Zimmer für die Rückkehr finden, was nicht so einfach ist, vieles ist ausgebucht. Wir ziehen den
Flug nach Buenos Aires um einen Tag vor und finden eine nette Hospedaje für zwei Nächte. Nach 3 Wochen Schiffskoje wird das Luxus pur sein.
Am Quai treffen wir alle. Jacqueline, die Frau des Skippers Henk, ist Schweizerin und nutzt die Gelegenheit, um ihre Muttersprache zu sprechen voller Überschwang. Ihr Mann ist eher das pure
Gegenteil, aber auf Anhieb sehr sympathisch. Wir bringen unsere 7Sachen an Bord, klarieren aus, Gummistiefel werden verteilt, da läuft der Motor. Henk muss nur noch seine drei Kinder einfangen
und auf den Quai setzen, sie kämen am liebsten mit, ein Abschiedskuss für Jacqueline, dann tuckern wir los. Enjoy and no seasickness, ruft sie uns nach. Der Beagle-Kanal ist ruhig, wenig Wind,
der sich aber schon frisch anfühlt. Alle sind draussen und geniessen den Beginn der Reise. Jeder bringt seine Erwartungen mit an Bord. Wir kennen uns nicht, die Fotografie ist vielleicht das
Einzige, was uns verbindet. Henk gibt uns Sicherheitsanweisungen: einfach nicht ins Wasser fallen, sonst ist das Feuer schnell aus. Nach Faustregel bleiben so viele Minuten Zeit für die Rettung,
wie das Wasser warm ist - im Moment 8 Minuten, südlicher abnehmend. Wie immer beginnt das Bordleben mit Essen - Margot, die Koskipperin kocht Kartoffelpüree mit Gemüse. Dann kriechen wir in die
Kojen, die sich noch etwas kalt anfühlen. Ich schlafe oben, ist doch einfach, sich hochzuhieven.
Am nächsten Morgen rollen die Wellen. Henk sagt, wir sollen die Bewegungen einfach mitmachen. Das geht am besten in der Koje, liegend. Die ersten rennen aufs WC. Wir passieren Kap Horn, das
seinem Ruf alle Ehre macht. Niemand möchte im Moment Fotos machen, geschweige denn draussen sein, ist uns doch egal, dass wir Kap Horn passieren. Nur Jan ist fit, immer auf der Suche nach Essen.
Henk segelt das Boot alleine, er macht das schon zum 39. Mal. Die ersten Stunden verstreichen, es werden noch viele sein. Jeder liegt alleine in seiner Koje, mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen.
Was ist die beste Strategie gegen Seekrankheit? Unterschiedliche Rezepte, mit unterschiedlichem Erfolg. An Essen denkt niemand, zum Trinken muss man sich zwingen. Ich zähle die Stunden, dann Tage
und Nächte. Das Fenster im Bad sieht aus wie das Guckloch an der Waschmaschine im Hauptwaschgang. Am zweiten Nachmittag wird es ruhiger, wir trauen uns raus aus der Koje, Zähne putzen, einen
Cracker essen, eine Stunde draussen sitzen, mitten in der Drakepassage mit blauem Himmel, wunderbar. Das Nachtessen, Reis mit Fisch und Curry geht noch nicht runter.
Wir motoren in die dritte Nacht hinein, der nächste Sturm zieht auf. Der Wind hat von Südwest auf Nordost gedreht, Henk wendet das erste und einzige Mal auf der Überfahrt. Das schafft Abwechslung
beim Liegen in der Koje, bisher hingen wir im Leesegel, jetzt lehnen wir am Schiffsrumpf an, der ziemlich kalt ist. Ich polstere mit der Decke, manchmal hänge ich auch das Fenster zu, will die
Waschmaschine draussen nicht sehen. Dann und wann ziehe ich meinen Arm aus dem warmen Schlafsack und Silver hält von unten meine Hand. Wann hat dieser Horror ein Ende? Am dritten Tag geht
immerhin schon eine Banane runter und am Abend etwas Suppe. Sollten wir nicht bald mal ankommen? Als grösste Herausforderung weist sich nicht die Seekrankheit, sondern die Länge der Überfahrt.
Diese einsamen Stunden in der Koje, manchmal im Halbschlaf, manchmal hell wach. Viele Gedanken ziehen ungeordnet durch den Kopf, ab und zu bleibt einer hängen, formt sich, verflüchtigt sich
wieder. Draussen toben die Elemente, drinnen knackt und ächzt es, der Wind heult, das Schiff wird von den Wellen hin- und hergeworfen. Angst, nein, Angst haben wir nicht.
Unser Ziel ist Hannah Point auf Livingston Island. Der Wind aus NE zwingt uns aber zum Umfahren der Insel. Die vierte Nacht in der Koje, wir fühlen uns besser, aber die Überfahrt zehrt, zu gerne
würden wir Fuss an Land setzten. Am vierten Tag sind wir mehr oder weiniger alle auf, alles ist besser, als in der Koje zu liegen. Das Meer wird langsam ruhiger, dann tauchen grosse Felsen auf,
Snow-Island auf der einen, Smith Island auf der anderen Seite. Ein unbeschreibliches Gefühl, anzukommen. Es dauert noch eine ganze Weile, aber dann fällt der Anker, es wird ganz still!!! Wir
haben die Drake-Passage hinter uns.
Wir geniessen das Festessen mit Fleisch und Gemüse. Heute Nacht werden wir uns schnarchen hören, so ruhig ist es. Drüben an Land liegen See-Elefanten, die ersten Pinguine tauchen neugierig ums
Boot. Welcome at the South Shetland Islands.