Antarktis

Ushuaia
Ushuaia
Samstag, 25.1.14
Der letzte Tag in Ushuaia bricht an. Unser Segelkollege Philip will wandern, wir bleiben lieber in der Stadt. Ausnahmsweise in diesem Ushuaia-Sommer scheint sogar die Sonne! Nach drei Wochen in der Antarktis entdecken wir die Annehmlichkeiten der Zivilisation neu: In einem leckeren Kaffee trinken wir eine heisse Schokolade, wir halten ein Schwätzchen mit Laurent und Jacqueline auf der Strasse, wir sitzen in der Sonne und schlecken ein Glacé, wir schlendern durch den Souvenir-Shop, stöpern im Buchladen. Silver kauft ein Buch von einem argentinischen Päärchen, das sich mit einem Oldtimer auf den Weg nach Alaska macht - was hat das zu bedeuten??? Die Stadt ist voll mit Touristen der Kreuzfahrt-Schiffe. Auch die Barke Europe, eine Windjammer, ist da. Sie setzt Segel für die Antarktis, schööön. Eine der wenigen Attraktionen, die Ushuaia zu bieten hat, sind das Gefängnis-und das Schifffahrt-Museum, mit Bildern zu Antarktis-Expeditionen. Wir erkennen viele Orte, inseln, Buchten der Antarktis wieder und schwelgen etwas in Nostalgie. Am Abend treffen wir unsere Segelkollegen im Dublin-Pub und feiern nun wirklich zum letzten Mal Abschied, bis in die frühen Morgenstunden. Wer hat schon mal morgens um drei ein Eis in der südlichsten Stadt der Welt gegessen?
Les Eclaireurs
Les Eclaireurs
Freitag, 24.1.14
Wie vorangekündigt startete Henk den immer treuen Dieselmotor um 04:00 Uhr und tuckerte anfänglich noch gemütlich aus der windgeschützten Ankerbucht. Aufgrund seinen Kenntnissen und dem Wetterbericht wusste er, dass es im Beaglekanal in Richtung Ushuaia ziemlich ungemütlich wird. Es bliess ein steifer und kalter Westwind mit 7 Bft und strömte wie das auslaufende Wasser genau auf den Bug der Sarah. Gegen den Strom reduzierte sich dieser über Grund auf 4.2 Knoten, so dass wir gemäss GPS um ca. 14:30 Uhr im Heimathafen,  voraussichtlch bei schönstem Wetter, einlaufen. Die Wassertemperatur liegt zur Zeit 8.5 Grad, sie erhöhte sich seit den Melchior Islands um 8 Grad. Christine und Philipp genossen die letzten Seemeilen bei Henk im Cockpit, was übrigens ein praktisches Mittelcockpit war. Man konnte von dort unmittelbar in den Schiffsrumpf gelangen und hatte noch ein grosses Achterdeck, um verschiedene Dinge zu erledigen. Mehrere Leute konnten sich dort stehend, sitzend und liegend aufhalten, ohne nass zu werden. Der schnelle Schlag ging ungebremst weiter, denn der Wind liess nicht nach, im Gegenteil. Durch die Düsenwirkung im engen Kanal, der nach hinten in die Cordilliere offen war, stampften wir auf Ushuaia zu. Die Wasserspritzer wurden immer stärker und trafen den Steuermann mit voller Wucht, der darüber keine Freude hatte, denn er stellte sich vermutlich vor, noch gemütlich und trocken in Ushuaia einlaufen zu können. Der andere Teil der Expeditionscrew  war in den Kojen oder im Salon und diskutierte über diese fantastische Reise in die Antarktis. Immer wieder schauten wir auf das GPS in der Navigationsnische und prüften die Ankunftszeit, die sich langsam, aber stetig verkürzte und uns eine Ankunftszeit von 12:30 Uhr zeigte. Dann plötzlich war es soweit, der Skipper drosselte den Motor, es wurden noch einmal die Fotoapparate in die Hand genommen und  Ushuaia mit der Sarah im Vordergrund fotografiert. Es war ein wunderbarer Anblick, den wir vermutlich in der Art fotografisch gar nicht festhalten konnten. Alle speicherten diesen Anblick in ihren Köpfen und werden ihn vermutlich nie vergessen. Henk bereitete das Segelschiff für das Festmachen auf der Steuerbordseite vor, es wurden zwei grosse rote Kugelfender vorlich und achterlich an der Reling mit einem Seemansknoten so befestigt, dass diese sich nicht mehr selbständig lösen konnten. Dann vorne und Achtern dicke Leinen ausgelegt und von aussen unter der Reling durch an den Klampen befestigt. Alle waren gespannt wie Henk die Sarah am Steg anbinden würde. Der starke Wind, der die Sarah an den Steg drücken wird, liess ihn kalt, half ihm im Gegenteil ohne Probleme anzulegen. Er fuhr langsam mit dem Bug und einem spitzen Winkel zum Steg, der Hafenmeister stand schon an der rechten Stelle bereit, übernahm von Henk die Leinen. Die steife Brise drückte die Sarah an den Steg und in die Kugelfender, dann übernahm der Hafenmeister die Achterleine und Henk befestigte dann noch die beiden Springs, die Eine geht vom Bug des Schiffes zum Heck am Steg, die Andere vom Heck des Schiffes auf Bughöhe am Steg. Die Leinen waren fest, der Motor ging aus, der Skipper ging in seine Navigationnische unter Deck, kontrollierte nochmals alle Instrumente und notierte die zurückgelegten Meilen (1700, die Hälfte davon unter Segel). Nach einer kurzen Stille von Skipper und Crew erfolgte der traditionelle Jauchzer mit "Ladies and Gentlemen, we arrived at Ushuaia"!!! Er brüllte diesen Satz jedes Mal so laut, dass jedes Expeditionsmitglied mit einem genau so lauten Jauchzer antwortete. Mir lief es jedes Mal kalt und warm den Rücken runter, alle lachten danach und waren glücklich.

Schnell waren die Reisetaschen gepackt und aus dem Boot geschaft, dann noch die Bettwäsche in vorgesehene Säcke abpacken und alles auf dem Steg deponieren. Der Skipper verlangte unsere Pässe und meldete uns bei der Imigrationbehörde wieder an, allerdings ohne Stempel, wie auch bei der Ausreise. Wir befanden uns mit unserer Expedition ja in internationalem Gewässer. Nach kurzer Zeit kam Henk mit unseren Pässen zurück und wir mussten nochmals schriftlich bestätigen, dass wir das ausgeführte Equipment wieder in Argentienien einführen. Da unsere Reisetaschen bei Henk's Haus lagerten ging es doch noch eine Weile, bis wir diese füllen und auf den Steg zum Abtransport bereitstellen konnten. Henk lud uns nach Abschluss dieser Arbeit noch zu einem Gläschen Bier ein. Die anderen Expeditionsmitglieder waren da schon unter der lange ersehnten Dusche. Wir verabredeten uns zu einem Nachtessen in der Stadt. jeder träumte von einem ausgiebigen Essen mit zugehörigem Postre (Dessert), auch ich... Der letzte Expeditionstag ging viel zu schnell zu Ende. Irgend wann sackten wir ins Bett und wollten nur noch schlafen.

Cabo de Hornos
Cabo de Hornos
Donnerstag, 23.1.14
Bereits sind wir den vierten Tag unterwegs über die weltbekannte und berüchtigte Drake Passage. Vom Kap Hoorn sind es noch 120 sm nach Ushuaia, unserem Zielhafen, welchen wir wetterbedingt voraussichtlich am Freitag erreichen werden. Früher als vorausberechnet erreichten wir um 06:00 Uhr das Kap und fuhren mit genügend Sicherheitsabstand vor diesem markanten Felsen, dem südlichsten Zipfel von Amerika, vorbei. Alle Kameras waren bereit, nur wollten nicht alle Expeditionsmitglieder dieses Teil bei stürmischen Wellengang fotografieren. Da sich das Kap auf chilenischem Boden befindet können wir es nicht besuchen, denn wir sind nur im argentinischen Teil von Feuerland einklariert. Noch schlimmer wir müssen den chilenischen Teil umfahren und den argentinischen Teil des Beaglekanal nutzen. Nach wie vor segeln wir nun parallel zur Küste gegen NO und werden gegen 14:00 Uhr in den Beaglekanal einschwenken. In der Zwischenzeit liegen einzelne Mitglieder in den Kojen, andere vergnügen sich mit Kartenspielen oder lesen ein Buch. Essen? Bei Überfahrten  und hohem Wellengang ist die Aufstellung eines Menuplanes nie ganz einfach. Der Smutje wählt in diesen Fällen eine leichte Kost, wir nennen es die sehr wirkungsvolle Drake-Diet. Draussen nehmen die Winde etwas ab, nach wie vor hoch und unberechenbar ist die See. Gischt, kurze und tiefe Wellen lassen das Boot schaukeln und krachen. Es ist eine 30 jährige stählerne in Hamburg erbaute Segelyacht, mit hölzerner wunderschöner Mahagonie-Auskleidung.
Heute, unmittelbar nach dem Cap Hoorn, haben wir Corinna mit unserem Satelliten-Telefon zu ihrem 49. Geburtstag gratuliert.

Weitere 50 sm später biegen wir um 14:30 Uhr, mit ca. 25 ktn Wind, starken Wellen, Gischt, 8 ktn Speed, Wassertemperatur 8.3 Grad in den Beaglekanal mit ca. 54 Grad südlicher Breite ein. Henk trimmt die Segel straff, denn der Wind pfeifft nun mit voller Wucht über die an der Backbordseite liegende Bergkette. Die Sarah W. Vorwerk krängt etwas stärker nach Steuerbord, doch scheint ihr dieses kalte  Brise nichts anzutun. Unser letzter Schlag im Beaglekanal ist noch 70 sm weit. Viele Delphine begleiten uns mit übermütigen Sprüngen in Richtung Westen. Nach GPS könnten wir Ushuaia gegen 02:00 Uhr erreichen. Doch voraussichtlich werden wir in einer ruhigen Bucht zum letzten Mal ankern und morgen das letzte Stück in den ruhigen Heimathafen tuckern, so dass wir dort gegen 11:00 Uhr anbinden werden. Das gesamte Expeditionsteam ist sehr zufrieden mit wunderschönen Erinnerungen und viele Erfahrungen nach Hause tragen zu dürfen.
Nachdem der Wind auf West wechselte, starteten wir den Motor, rollten die Genua ein und nahmen das Grossegel dicht. In dieser Kombination tuckerten wir 5 Stunden und kurz vor den Ankerplatz borgen wir das Grosssegel. Mitten in der Bucht Haberton, in Sichweite von Strand liess der Skipper den Anker auf 13 m fallen, auf den ersten Anhieb war er fest, was uns nicht mehr erstaunte, denn bei sämtlichen Ankerplätzen in der Antarktis, war der Anker stets fest, auch bei starken Winden. Es war 21:00 Uhr und wir genossen das köstlche letzte Nachtessen auf der Sarah W. Vorwerk. In gemütlicher Runde verteilte Laurent nach dem Essen die Expeditions-Awards an sämtliche Teilnehmer. Mit Wein, Tee und Guezli liessen wir den zweitletzten Tag ausklingen und träumten von den wunderbaren Erinnerungen an die Antarktis.
Sommertag
Sommertag
Mittwoch, 22.1.14
In dieser Nacht schliefen wir nicht so gut wie zwischen den kalten, aber ruhigen antarktischen Schäreninseln. Das Meer hatte immer noch eine leichte Dünung aus Westen, der Wind blies aus derselben Richtung mit bis 1-2 Bft und das leichte Schaukeln liessen uns in den Kojen von links nach rechts rutschen. Kam dazu, dass das Motorengeräusch vom 75 PS starken Mercedes OM-Diesel gleichmässig laut  knatterte und nie müde zu  werden schien. Der Skipper Henk stand vermutlich aus demselben Grund bereits früh auf und genoss um ca. 05:00 Uhr einen wunderschönen Sonnenaufgang. Wie ich etwas früher aus dem Fenster der Toilette beobachtete, waren die Wolken angerötet. In Europa sagt man dazu "Morgenrot Schlechtwetterbot"!. Auf der südlichen Halbkugel haben wir schon oft fesgestellt, insbesondere in den jetzigen Breitengraden, dass vieles genau umgekehrt ist wie in Europa. So zum Beispiel geht die Sonne wohl im Osten auf und im Westen unter. Sie zieht ihren Bogen aber nicht im Süden, sondern im Norden. Wenn man vom Süden in den Norden fährt, wird es immer Wärmer und nicht kälter. So ist es jetzt vor dem Kap Hoorn ca. 10 und in Buenos Aires ca. 35 Grad. Zirren am Himmel bedeuten wie in Europa auch Wetterwechsel, nicht aber in 3-4 Tagen, sondern spätestens am anderen Tag. Tiefs drehen im Uhrzeigersinn, Hochs im Gegenuhrzeigersinn. Auf der nördlichen Halbkugel genau umgekehrt. Wenn der Mond rechts von der Mitte ausgefüllt ist, ist er abnehmend, wenn links, dann ist er zunehmend. In Europa umgekehrt. Gestern war goldgelber Sonnenuntergang und heute knallroter Sonnenaufgang, das Wetter ist heute fantastisch blau mit einigen kleineren Schönwetterwolken. Laut Henk ist es über der Drake Passage an 300 Tagen schlechtes Wetter. Für ihn ist heute ein ungewöhnlcher Sommertag und nach seiner Temperaturskala 25 Grad ...
Gemäss Wetterbericht soll es heute mit schwachen Winden aus westlicher Richtung schön bleiben. Endlich stellt Henk nach dem Lunch den uns schon allen auf den Wecker gehenden Dieselmotor ab, vorher stellte er das Gross und Genua grob ein und nun zeigt er uns wie man die Segel aufgrund seinen lanjährigen Erfahrungen richtig bei Schwachwind in der Drake Passage trimmt. 
Es ist ein traumhaft schöner Nachmittag. Nach dreitägiger Pause nehmen wir unsere Hightechfotoapparate und -linsen wieder aus den Fototaschen und versuchen tieffliegende Albatrosse so zu fotografieren, dass sich das Motiv dynamisch einbettet im blauen Himmel, Wolken und Meer. Dies ist uns sogar auch mit den Kompaktkameras so gelungen, dass das Motiv immer noch scharf erschien.
Gegen Abend tauchten aus dem Westen immer zahlreichere Wolken auf, der Wind nahm leicht auf  ca. 15 ktn zu und die Wassertemperatur erhöhte sich auf 7.5 Grad. 

Bis zum weltgrössten Schiffsfriedhof, dem Kap Hoorn, sind es nur noch 55 sm und  wir werden ihn voraussichtlich am frühen Donnerstagmorgen erreichen. Schade befindet er sich unter Wasser, sonst wäre er vermutlich ein ähnlich fotografischer Anziehungspunkt wie der Lokfriedhof von Uyuni.
Drake-Passage
Drake-Passage
Dienstag, 21.1.14
"Henk, Henk there is water!" tönte es plötzlich nachts gegen 02:00 Uhr aus Anils Koje. Henk kam mit einem roten Licht, schloss das Lüfterventil an der Decke, wischte das Wasser am Boden auf, hängte nasse Kleider und Taschen über die Badewanne im Waschraum. Der Wassereinbruch im nächtlichen Starkwind war glücklicherweise nur eine Bagatelle. Henk der erfahrene Skipper verkleinerte das Segel und korrigierte leicht unseren Kurs, das Schiff wurde ruhiger und durchpflügte mit seinen 30 Jahren und 94 Passageüberquerungen wie eine junge Tangotänzerin die labyrinthähnlichen Wellentäler. Als wir Henk wieder im Schiff hörten drehte ich mich zur Seite, schloss den Reissverschluss meines Daunenschlafsacks und tauchte in einen wahnsinnigen Traum des Antiseekrankheitmedikament ein. Die ersten Sonnenstrahlen weckten mich aus meinem Tiefschlaf, halb schlaftrunken ging ich mich waschen und schaute aus der Luke. Nach wie vor war es eisig kalt, allerdings erhöhten sich die Wassertemperaturen auf 4,5 Grad. Laut Henks Wetterprognose werde das Wetter in den kommenden zwei Tagen gut mit viel Sonnenschein und leider wenig Wind mit Ausnahme des Kap Hoorn, wo er mit mindestens 25 Ktn rechnet. Gemäss Henk haben wir die Konversionsgrenze erreicht und es war höchste Zeit unsere Flaschenpost dem Meer und Neptun zu übergeben.
 
Die Winde haben sich leider wieder auf N und direkt auf die Nase gedreht, mit einer seitlichen Dünung immer noch aus NW, der Motor beginnt wieder zu tuckern und ohne viel Zeit zu verlieren fahren wir auf die Wellen zu und eine weitere ungemütliche Fahrt bei schönstem Sonnenschein beginnt. Laut Skipper befinden wir uns zwischen zwei Tiefdruckgebieten und obwhl das Wetter für die kommenden zwei Tage gut sei, kann es hier innert kürzester Zeit wieder ändern.
 
Laut GPS sind es noch 210 sm bis zum Kap Hoorn, wir werden es voraussichtlich am Donnerstagmorgen erreichen und bei wenig Winden besuchen. Dort gibt es eine kleine bewohnte Hütte und ein Monument der Kap Hoorniers, welches 1992 zu Ehren der ca. 10'000 mutigen am Kap umgekommenen Seefahrer gewidtmet wurde. Das Monument zeigt die Umrisse eines riesigen fliegenden Albatrosses. Daneben steht ein Gedenkstein mit folgendem eingemeisselten Gedicht der chilenischen Schriftstellerin Sara Vial: "Ich bin der Albatross, der am Ende der Welt auf Dich wartet. Ich bin die vergessene Seele der toten Seeleute, die zum Kap Hoorn segelten von allen Meeren der Erde. Aber sie sind nicht gestorben im Toben der Wellen. Denn jetzt fliegen sie auf meinen Schwingen für alle Zeit in die Ewigkeit." Lassen wir uns über die Wetterereignisse dem weltweit grössten Schiffsfriedhof mit 800 Wracks überraschen, dort wo Atlantischer und Pazifischer Ozean stürmisch aufeinander treffen. Eine kleine Kostprobe erhielten wir bei der Seefahrt in die Antarktis bereits vor 2 1/2 Wochen, als die Boen Geschwindigkeiten von 50 ktn erreichten und unser Segelschiff die Sarah W. Vorwerk mit Leichtigkeit von Welle zu Welle hüpfte. Wer die Magie, die von diesem Ort ausgeht verspürte, versteht, weshalb der Mythos Kap Hoorn lebt.
 
Es kam kein Wind auf und wir motorten weiter, das Wasser war leicht dünig aber sonst glatt. Das Grosssegel blieb straff im ersten Reff, die Genua war eingerollt. So tuckerten wir weiter und träumten vom Mythos umspannten Kap Hoorn.
 
Montag, 20.1.14
Die Drake Passage ist keine einfache Überquerung, schon viele haben dort ihr Schiff und Leben verloren. Das Wetter wechselt innerhalb kürzester Zeit. Tiefs rasen dort im 48 - 72 Stunden Rythmus vorbei und oft müssen die Seefahrer auf das passende Wetterfenster zur Überfahrt abwarten. Im Gegensatz zur nördlichen Halbkugel drehen die Tiefs hier im Uhrzeigersinn, was bedeutet, dass man beim Festland westliche Winde, in der Mitte der Passage schwache Winde und bei der antarktischen Halbbinsel östliche Winde vorfindet. Beim Kap entstehen durch die Düsenwirkung und unterschiedliche Strömungen sehr hohe Wellen, die jedem Seefahrer, der das Kap umrunden möchte, grosse Schwierigkeiten macht.
 
Noch befinden wir uns am Anfang der Drake Passage, doch die Winde haben sich in der Nacht auf den Montag nach wie vor aus östlicher Richtung so verstärkt, dass die Segelfläche auf die kleinst mögliche Fläche verkleinert werden musste. Am Morgen allerdings nahm der Wind von SO ab und drehte auf N, das Wetter wurde schöner. Der Wind war mit 25 Ktn auf den Bug sehr stark und durch die Dünung mit grossen Wellen aus NW-Richtung folgte eine ungemütliche Fahrt. Einige Mitglieder der Photo Expedition Antarktika lagen wieder flach. Die anderen versuchten aber, so etwas wie einen Tages-/Nachtrhythmus aufzubauen, was einigermassen gut gelang. Seebeine, ein Scopolamin-Pflaster und das gute Wetter machten das möglich.
Tafeleisberg
Tafeleisberg
Sonntag, 19.1.14
(Ab hier schreibt Silver unsere Gedanken nieder.)
Gemäss Skipper Henk geht die Rückreise um 03:00 Uhr los. das Schiff wurde durch ihn klar gemacht, der Grill gereinigt und letzte Weinflaschen von der Party mit den Südafrikanern Ralph und Jenny und dem Norweger Lars, entsorgt. Um 05:00 Uhr startete Henk den Motor und hob den Anker. Letzte kleinere Eisbergbrocken küssten zum Abschied unseren Rumpf und gemütlich tuckerten wir aus den letzten Inselchen von Melchior Islands Richtung offenes Meer und Richtung Drake Passage. Laut Henk's Wettermeldung sei das Wetter ideal für die Überfahrt und kein Unwetter zu erwarten. Schon bald konnten wir bei 12 ktn Wind die Segel setzen und segelten zügig unserem Ziel Kap Hoorn, welches ca. 550 sm entfernt lag, entgegen. Bei 6-7 sm pro Stunde war ein Etmal von 140 bis 160 sm pro Tag möglich. Das bedeutet, dass wir am Mittwochabend oder Donnerstagmorgen das Kap erreichen würden, vorausgesetzt die Winde und Strömung sind optimal. 

Es war eisig kalt und schneite leicht, die Wassertemperatur betrug bei den Melchior Islands 0,5 Grad, nach den letzten Inseln bereits 1,2 Grad was bis zur Konversionsgrenze konstant bleiben sollte. Dort taucht das kalte Wasser unter das wärmere Wasser vom Pazifik unt Atlantik und vermischt sich dort mit diesen. Bis zu dieser Grenze, die bei 60 Grad südlicher Breite liegt, kann es gut sein, dass sich bis dorhin Eisberge verschieben. Genau auf unserem Kurs, nach ca. 70 sm, lag  ein riesen Tafeleisberg von ca. 60 m Höhe ( Teil über Wasser), 600 m Tiefe (Teil unter Wasser) und Länge x Breite = 500 x 300 m, oben flach. 
Das Wetter und die Winde waren gut, so dass wir zügig vorwärts kamen. In der Nach verstärkten sich die Winde aus SO, so dass der Skipper die Segelfläche schon bald mehrmals verkleinern musste. Dies nahm er stets selber in die Hand, luvte das Segelschiff mit dem Autopiloten leicht an, fierte das Grossegel, ging zum Mast und löste das Grossfall bis er den Ring des Reffs einhängen konnte, nahm das Grossfall und die entsprechende Reffleine dicht, die losen Reffleinen straffte er nach, fierte die Genua und rollte sie um das gereffte Stück ein. Dazu musste der Skipper bis zum Masten gehen. Diesn Vorgang wollte er aufgrund seiner Erfahrungen alleine tun, auch Nachts bei Seegang und Dunkelheit. Stets waren wir sehr froh wenn wir ihn pfeiffend und seine Schritte auf der Treppe wieder hörten.
Melchior Island
Melchior Island
Samstag, 18.1.14
Unser letzter Tag in der Antarktis bricht an. Henk will nochmal Wasser bunkern und sucht einen Gletscher mit Schmelzwasser. Wir wandern einen kleinen Berg hoch und geniessen die Rundumsicht. Sogar Waale sehen wir von hier oben und die Ausfahrt zur Drake. Zurück auf dem Schiff heisst es, das Barbecue (Barbecue??) sei noch nicht fertig. So machen wir einen kleinen Zodiak-Ausflug zu den Walen. Wir entdecken ausserdem einen Fur-Seal, Blue-Eyed Cormorants und einen grossartigen Eisberg. Wir können uns fotografisch nochmal richtig austoben! Henk steht an Deck als wir zurück kommen und grillt! Die Südafrikaner Jenny und Ralf und Lars, der Norweger, kommen auch an Bord und bringen Dessert mit. Ihr Schiff, die Imvubu (das Zulu-Wort für Nilpferd) liegt gleich neben unserem. Morgen wollen sie auch raus zur Drake. Lars und Ralf sind in 36 Tagen von Durban nach Ushuaia gesegelt, unvorstellbar. Wir geniessen die argentinische Parrillada, draussen beginnt es zu schneien und das Wasser friert auf der Oberfläche zu Pancake-Ice. Henk legt immer wieder nach und wir essen, lachen und trinken viel. Lars nimmt die Gitarre und singt, wir schreiben eine Flaschenpost: Hipo and Sarah met, the weather is wet, ....
Freitag, 17.1.14
In der Nacht rumpelt ein grosser Eisberg ans Boot, Henk muss das Schiff mit einer Stange wegstossen. Der blaue Himmel von gestern hat sich schon wieder aufgelöst, es weht ein eisiger Wind. So nehmen wir Fahrt auf Richtung Melchior Islands, die letzte Station, bevor wir den Sprung über die Drake-Passage wagen. Es geht am Cape Renard vorbei, durch den Péltier- und Neumayer Channel. Dann, als wir in die Passage Richtung Melchior Islands abzweigen, wird das Meer ganz ruhig. Hier könnten Waale auftauchen. Zwei weitere Segelschiffe tuckern langsam vor uns her, und dann sind sie da: Humpback-Wales, Mütter mit Kleinen. Sie tauchen neben dem Boot auf, blasen laut die Luft aus und zeigen uns zum Abschied ihre schönen Schwanzflossen. Immer wieder tauchen Wale auf und die Kameras klingen wie im schönsten Paparazzi-Sturm. Der Anker fällt im Anderson Harbour und wir verbringen eine ruhige Nacht.
Vernadsky
Vernadsky
Donnerstag, 16.1.14
Blauer Himmel lockt uns raus. Hohe Berge ragen aus den Fjorden empor, Eisberge treiben still umher. Wir wandern nun bei Tageslicht auf der Insel, eine kleine Hütte, das Refugio Naval Groussac, erinnert an argentinische Anwesenheit. Auf Peterman Island gibt es eine Kolonie von Adélie-Pinguinen, wahrscheinlich die einzige, die wir sehen werden. Die Kids der Adélies sind rabenschwarz und schon ziemlich gross. Auch nach 10 Tagen in der Antarktis ist es immer noch lustig, das Pinguin-Familienleben zu beobachten: Die grossen Kleinen bedrängen die Mutter ständig nach Essen, sie hat aber keine Lust zum Füttern und rennt weg vom Nest. Die Kleinen trauen sich aus der geschützten Umgebung nicht weg und rufen der Mutter laut hinterher.

Nach dem Mittagessen machen wir uns auf zur ukrainischen Forschungsstation und damit zum südlichsten Punkt, den wir auf unserer Reise erreichen werden. Vernadsky liegt auf dem 65. Breitengrad in einem kleine Fjord, umringt von hohen Bergen. Die Ukraine hat die Station mit allen Instrumenten und Forschungsgeräten den Briten abgekauft. Es werden vor allem atmosphärische Untersuchungen vorgenommen, zur Zeit sind 12 Personen hier. Der Unterschied zur amerikanischen Station ist gross, man merkt, dass weniger Geld vorhanden ist. Die Ukrainer sind aber viel unkomplizierter und zeigen uns alle Räume. Zum Schluss gibt es in der Faraday-Bar selbstgebrannten Wodka, soviel wir mögen. Silver überreicht die CCS-Fahne als Geschenk, die mit unseren Unterschriften versehen nun dort in der Bar bewundert werden kann.

Ein weiteres Highlight steht auf dem Programm - die Durchfahrt durch den Lemaire-Channel, ein wunderschöner Fjord mit hohen Bergen. Das Wasser ist ganz flach und die Berge und der blaue Himmel spiegeln sich darin. Ich sitze vorne im Bug und sauge die Stimmung auf. Ich bin auch ein bisschen wehmütig: zwei einhalb Monate lang führte unser Weg immer Richtung Süden, nun sind wir wieder auf dem Heimweg. Wir sind fast durch den Kanal, da kommt von hinten ein Cruiser. Henk stellt den Motor ab, wir treiben ganz ruhig dahin. An Deck des Cruisers stehen Chinesen, eingepackt in rote Jacken. Wir prosten ihnen mit Rotwein zu, der Cruiser hornt. Zum Abendessen gibt es die zweite Hälfte des Lamms mit Bratkartoffeln, das wir an Deck verspeisen. Wenig später fällt der Anker vor Booth Island, zwei Segelschiffe sind schon da. 

Schlafen können wir in der Drake-Passage, heute geniessen wir bis früh am Morgen den einmaligen Sonnenuntergang an Land. Vom kleinen Gipfel reicht die Sicht bis zum Horizont, die Sonne versinkt hinter Eisbergen, die in Port Charcot gestrandet sind und taucht alles in rotes Licht. Gorgeous! Auf der Rückfahrt entdecken wir noch einen Crabeater-Seal auf einer Eisscholle, er ist etwas beunruhigt durch unseren Besuch, so lassen wir ihn weiter schlafen. 
Schneebild
Schneebild
Mittwoch, 15.1.14
Es ist kälter geworden. Der Schnee kommt quer und vertreibt die Lust nach draussen zu gehen. Laurent motiviert uns nur kurz mit der Aufgabe, ein Schneebild zu schiessen. Das Mittagessen nach dem Frühstück und die Fahrt zu Petermann Island sind so ziemlich die einzige Abwechslung. Die Vorbereitung der Apfelcreme zum Dessert hilft vielleicht gegen die Schwermut, die sich breit macht? Nein, wir müssen raus an die frische Luft! Die Schneeschuhe werden eingepackt und Henk setzt die Schweizer Crew auf Peterman Island ab. Er ist zuversichtlich - um Mitternacht wird die Sonne scheinen. Der Einstieg ist etwas schwierig, wir kraxeln die Felsen hoch bis zum Schnee. Philip als zukünftiger SAC-Tourenleitern legt die Spur durch den Neuschnee. Nach einer Stunde sind wir oben, ein Steinmännli begrüsst uns. Es ist sehr windig, wir schrecken ein paar brütende Skuas auf. Dann blicken wir nach Süden und juchzen: Sonne und blauer Himmel, den der Wind in unsere Richtung schiebt. Wir geniessen diese einmalige Stimmung und die Vorfreude auf das schöne Wetter. Die Skuas beruhigen sich nicht und fliegen wild um unsere Köpfe, also treten wir den Rückweg an. Die Apfelcreme am Abend ist lecker und Silver zeigt später seine Fotos. Der Himmel hat ziemlich aufgeklart, Laurent verspricht uns eine einmalige Abendstimmung. Der zweistündige Abendausflug zur Pinguin-Insel in der Circumcisum-Bay ergänzt unser Portfolio mit Bildern vom goldenen Meer und Pinguinen, die von der Abendsonne angestrahlt werden. Aber der Wind ist eiskalt, die Füsse wollen sich später im Schlafsack fast nicht mehr aufwärmen. 
Old Palmer Harbour
Old Palmer Harbour
Dienstag, 14.1.14
Gleich nach dem Frühstück gehts los, an Land können wir brütende Southern Giant Petrols beobachten. Auch See-Elefanten liegen faul am Strand. Diese Tiere beeindrucken mich und ich habe grossen Respekt vor ihnen. Meine rote Jacke irritiert sie, meine ich. Sie reagieren und verfolgen aufmerksam meine Schritte mit ihren grossen, dunklen Augen. Später besuchen wir die amerikanische Palmer-Station. Hier arbeiten im Sommer bis zu 46 Personen. Das Leben ist ziemlich eingeschränkt, es wird viel gearbeitet, wenig Freizeit und alles ist strikt organisiert. Aber für viele ist es eine einmalige Chance und sie lieben es, über Sommer hier zu sein. Wir bekommen ein nettes Kantinen-Essen und Brot zum Abschied geschenkt. Dann fahren wir weiter Richtung Süden, zu Pléneau-Island. Von der Eiswache bin ich durchgefroren und kuschle mich in den Schlafsack, das Schiff schaukelt mich in den Schlaf. Plötzlich  schrecke ich hoch, Eis rumpelt am Boot vorbei, der Motor heult im Vollgas. Ich schaue zum Fenster raus: Eis soweit, das Auge reicht. Ich komme gerade rechtzeitig an Deck, das Schiff schneidet eine Bahn ins Eis, bis es kein Durchkommen mehr gibt. Genau hier lässt Henk den Anker fallen, Shackletonian Way! Das ist einen Whiskey wert. Pinguine watscheln übers Eis, manchmal brechen sie ein. Laurent macht sich einen Spass und springt mit dem Drysuite ins Wasser. Der ist leider nicht dicht, poor boy. Da nähert sich uns ein Zodiak, unsere Rettung :-). Zwei von der australischen Icebird besuchen uns und bringen den neusten gossip von den Cruisers. Es soll tatsächlich Passagiere geben, die Pinguine in ihre Kabine schmuggeln. Und das Wetter, seit Jahren habe es nicht in der Antarktis geregnet... Am Abend schauen wir Bilder von Jan an. Die wichtigste Frage, die Laurent immer wieder stellt: Was ist das wichtigste im Bild, was soll der Betrachter anschauen?
Montag, 13.1.14
Welcome - die Mitarbeiterin von Port Lockroy empfängt uns am Steg. Im kleinen Shop sieht es aus wie im Krämerladen, es gibt Souvenirs in allen Formen und Farben. Auch wenn es keine Schnäppchen gibt, kaufen wir T-Shirts und ein paar Dinge zur Erinnerung. Hier können wir auch unsere Postkarten einwerfen, mal schauen, wie lange sie brauchen, bis sie ankommen. Nach dem kurzen Halt bringt uns das Dinghi zur nächsten Bucht. Die blue-eyed Kormorane brüten Seite an Seite mit Gentoos. Es ist faszinierend, das Leben der Vögel aus der Nähe zu beobachten, manchmal spielen sich kleine Dramen ab, z. B. dann, wenn sich ein Skua ein Pinguin-Baby krallt ud damit davon fliegt. Nach dem Lunch fahren wir weiter in die Dorian Bay. Ein schöner Spaziergang zu den Pinguinfelsen, wo wir beobachten können, wie die Pinguine aus dem Wasser springen. Wir verbringen den ganzen Nachmittag draussen, zum Glück regnet es nicht mehr und ich kann das grosse Objektiv ausprobieren. Zurück auf dem Schiff werfen wir Leinen los und machen uns auf den Weg in Richtung Old Palmer Bay. Es ist ziemlich windig, einen Teil können wir segeln. Nach der Ankunft gibt es feine Pasta, wir lieben es.
Eisberge
Eisberge
Sonntag, 12.1.14
Am Morgen drücken die Wolken. Über Nacht ist das Eis verschwunden, die Bucht zeigt sich spiegelglatt. Wir fahren los Richtung Parker Station, die amerikanische Basis. In der Gerlache Strait können wir sogar segeln. Es schneit. Die Parker Station lädt uns für Dienstag ein, daher halten wir Kurs auf  Port Lockroy, die britische Forschungsstation. Silver steht am Steuer, es ist ziemlich nass und kalt. Das Wetter bleibt die nächsten zwei Tage so, für den Lemaire Channel soll es dann wieder besser werden. Zum Glück zaubert Henk Postkarten mit der Sarah als Motiv hervor. Das grosse Kartenschreiben geht los. Schön ist die Offline-Zeit! Draussen knarrt der Wind und treibt die Eisschollen ans Boot. Es kracht und ächzt. Am Abend geniessen wir ein holländisches Essen, Kartoffelpürée mit Sauerkraut und Räucherwurst. Leker! Sivani zeigt uns ein paar ihrer Highlight-Fotos, unglaublich scharf und gute Eindrücke.
Samstag, 11.1.14
Wie schön ist es im warmen Schlafsack, wir kommen fast nicht aus den Federn. Nach dem Früstück geht es weiter durch den Errera-Channel zum Neko-Harbour. Wir fahren zum ersten Mal durch Eis, viele kleine Eisstücke schwimmen um uns herum, tanzen im Wasser. Die Gletscher hauchen uns mit ihrem kalten Atem an, einer nach dem anderen. Der Anker fällt in einer einsamen Bucht, die sich gerne als Neko-Harbour ausgibt. Es gibt keine Mole oder Hafenmeister, nur Pinguine und ein paar wenige Seals bevölkern das Land. Hier setzen wir das erste Mal Fuss auf den antarktischen Kontinent. Wir entdecken die Gegend, der Gesang der Pinguine wird immer wieder vom kalbenden Gletscher übertönt. Später statten wir der chilenischen Base Gonzalez-Videla einen Besuch ab. Wir sind herzlich willkommen und übergeben einige Früchte als Gastgeschenk. Hier leben von Anfang Dezember bis Ende März 12 Arbeiter und 7 Wissenschaftler, im Winter ist die Basis geschlossen. Wir wandern ein bisschen herum, entdecken einen einzelnen Adélie-Pinguin unter den 4000 Gentoos. Im kleinen Museum kaufen wir einen Sticker für den Fotorucksack und bekommen einen Stempel in den Pass. Am Abend ankern wir in Paradise Harbour, eine Bucht ist schöner als die andere. Unser Schiff liegt vor Anker, das Eis kommt immer näher, wir sind mitten drin. Wir sind das fünfte Segelschiff, ups, es ist Sommer. Am Abend kommentiert Laurent ein paar unserer Fotos, Anil zeigt eine Fotoshow von Island. Für einige wird es ziemlich spät, der Wein tut sein übriges. 
Enterprise Island
Enterprise Island
Freitag, 10.1.14
Seit zwei Nächten ist es merklich kälter und wir brauchen das Inlet im Schlafsack. Morgens um 6.00 läuft Laurent durch die Kojen und weckt uns mit lautem Rufen: wir erreichen die Peninsula, den arktischen Kontinent, das Festland. Silver und ich steigen in die Klamotten und gehen raus zum Schauen und Fotografieren. Die Antarktis enthüllt immer wieder eines ihrer faszinierenden Gesichter. Inseln mit Gletschern ziehen an uns vorbei, auch die ersten Eisberge, wir folgen der Gerlache-Strait. Margot hält Eisbergwache, plötzlich verschlechtert sich die Sicht, es fängt kurz zu schneien an. Henk teilt uns stundenweise in Wachen ein. Gegen Mittag erreichen wir Enterprise Bay, dort liegt ein mehr als 100 Jahre altes Wrack halb versunken. Daran hat ein Segelschiff festgemacht, schon das zweite, dass wir unterwegs sehen. Scheint es häufiger als Cruise-Schiffe zu geben, von denen wir bisher erst eines gesehen haben. Wir fahren mit dem Dinghi zu einer kleinen Insel und steigen ein Schneefeld hoch, fahren um das Wrack, versuchen, die Sarah durch ein Loch im Eisberg fotografisch einzufangen. Wie gut es uns geht: wir spüren die Sonne durch die dünne Wolkenschicht, es ist überhaupt nicht kalt. Und heute dürfen wir nach einer Woche wieder mal Haare waschen, in Cuverville Island können wir am Wasserfall vielleicht Wasser bunkern, juchhuuu. Kurz nachdem wir wieder Fahrt aufgenommen haben, findet Henk einen Felsen im Wasser, es rumst, wir stehen still. Wir waren nicht schnell, gleich geht es weiter. Silver und ich sind dran mit der Eiswache, ich steuere. Eiskalt definiert sich ganz neu. Der Anker fällt erst gegen Abend, ein halbes Lamm ist schon im Ofen, mit Seesalzkruste.

Aber der Tag ist noch nicht zu Ende. Das Abendlicht leuchtet unter der Wolkendecke hervor und lockt uns nach draussen. Die Bucht ist mystisch, blaue Eisberge treiben darin, der Himmel leuchtet orange, Antarktis pur. Erst früh am Morgen kommen wir zurück.
Deception Island
Deception Island
Donnerstag, 9.1.14
Die Nacht haben wir in der Telefon Bay von Deception Island verbracht. Wir ankern mitten in einem Vulkankrater, rundherum Berge, die zuerst von einer Eis- und darauf Ascheschicht überzogen sind. Das Wasser leuchtet in allen Farben, von blau über grün bis gelb. Am Anlandeplatz liegen Weddell Seals auf der faulen Haut. Wir kraxeln über ein Schneefeld und Asche eine Anhöhe hinauf und geniessen die weite Rundumsicht und die unendliche Stille. Jeder kann im seinem Tempo, fotografieren, herumlaufen und die Bucht umwandern. Zurück an Bord stürzen wir uns auf das frisch gebackene Brot. Wir sitzen draussen an Deck, so warm ist es.

Später fahren wir zur Whalers Bay, ein trauriger Platz, an dem eine alte Walverarbeitungsstation als rostiges Mahnmal in den Himmel ragt. Eine geothermische Quelle sorgt für dampfendes Wasser, Jan stürzt sich in die Fluten und japst mächtig nach Luft - Respekt. Einzelne Pinguine verweilen sich, watscheln am Strand entlang, bleiben neugierig vor uns Ausserirdischen und unseren Mitbringseln, wie Gummistiefel, stehen.

Über Nacht bringt uns unsere Sarah weiter in Richtung Western Antarctic Peninsula mit Ziel Cuverville Island.
singende Pinguine
singende Pinguine
Mittwoch, 8.1.14
Wir sind alle etwas übermütig, noch unorganisiert, aufgeregt. Was nehmen wir mit an Land? Welche Handschuhe, welche Kamera, Windhosen? Dann tuckern wir mit dem Dinghi rüber, nach Livingston Island. Nach mehr als 100 Stunden endlich festen Boden unter den Füssen. Von Henk haben wir erfahren, wie wir uns in diesem Tierparadies verhalten sollen: Wir reden leise und bewegen uns nicht schnell, unsere Anwesenheit soll nichts am Inselleben verändern. Pinguine haben Inseln, auf denen ihre Nester sind, dazwischen verlaufen kleine Wege, die auch wir beschreiten dürfen. Von den Pinguinen halten wir 5 Meter Abstand, von den See-Elefanten besser 15 Meter. Alles Grüne dürfen wir nicht betreten, es braucht viele Jahre, um wieder zu wachsen. 

Und dann ist alles ganz anders. Wir sind überwältigt von dem Gefühl an Land zu stehen, aber wir tanzen nicht, singen nicht, sondern staunen nur: 1000e von Pinguinen um uns herum. Wohin treten, wohin schauen, wohin gehen? Ein See-Leopard schwimmt heran und robbt aus dem Wasser, er beachtet uns nicht, legt sich faul an den Strand. Wir sind nicht im Zoo, es gibt auch keinen Zaun... Langsam machen wir die ersten Schritte, suchen unseren Weg. Die ersten fangen an zu fotografieren, ich muss diese Stimmung erst wirken lassen, wüsste gar nicht, was. Nach und nach fügen wir uns ein, erfassen die vielen Facetten im Leben der Gentoo- und Chinstrap-Pinguine. Die Kleinen wollen ständig zu essen, viele sind schon recht gross. Sie schnattern und singen, streiten und scheissen. Am Strand liegen See-Elefanten, die Männchen sind mehrere Tonnen schwer. Sie blinzeln in die Sonne, kämpfen um die viel kleineren Weibchen, bewegen den Schwanz in der Sonne. Du täuschst dich gewaltig, wenn du meinst, du bist schneller als sie. Beim Spazieren am Strand entdecken wir ein Walskelett, auf der anderen Seite der Bucht glänzt ein Gletscher. Noch nie hab ich mich gleichzeitig so lebendig und unwirklich gefühlt.
Und tschüss
Und tschüss
Freitag, 3.1. bis Dienstag, 7.1.14
Am Morgen wachen wir früh auf - heute ist der grosse Tag, an dem die Foto-Expedition in die Antarktis beginnt, unser trip of a lifetime. Wir frühstücken, vom Hotel sehen wir das Schiff am Quai, der Rumpf leuchtet rot, die Segel sind brandneu. Wir treffen die Italiener wieder. Sie sind wegen uns etwas aufgeregt, er ist Fischer und käme wohl am liebsten mit. Wir tauschen Email-Adressen aus und versprechen, ihnen unser bestes Foto aus der Antarktis zu senden. Dann müssen wir noch ein Zimmer für die Rückkehr finden, was nicht so einfach ist, vieles ist ausgebucht. Wir ziehen den Flug nach Buenos Aires um einen Tag vor und finden eine nette Hospedaje für zwei Nächte. Nach 3 Wochen Schiffskoje wird das Luxus pur sein.

Am Quai treffen wir alle. Jacqueline, die Frau des Skippers Henk, ist Schweizerin und nutzt die Gelegenheit, um ihre Muttersprache zu sprechen voller Überschwang. Ihr Mann ist eher das pure Gegenteil, aber auf Anhieb sehr sympathisch. Wir bringen unsere 7Sachen an Bord, klarieren aus, Gummistiefel werden verteilt, da läuft der Motor. Henk muss nur noch seine drei Kinder einfangen und auf den Quai setzen, sie kämen am liebsten mit, ein Abschiedskuss für Jacqueline, dann tuckern wir los. Enjoy and no seasickness, ruft sie uns nach. Der Beagle-Kanal ist ruhig, wenig Wind, der sich aber schon frisch anfühlt. Alle sind draussen und geniessen den Beginn der Reise. Jeder bringt seine Erwartungen mit an Bord. Wir kennen uns nicht, die Fotografie ist vielleicht das Einzige, was uns verbindet. Henk gibt uns Sicherheitsanweisungen: einfach nicht ins Wasser fallen, sonst ist das Feuer schnell aus. Nach Faustregel bleiben so viele Minuten Zeit für die Rettung, wie das Wasser warm ist - im Moment 8 Minuten, südlicher abnehmend. Wie immer beginnt das Bordleben mit Essen - Margot, die Koskipperin kocht Kartoffelpüree mit Gemüse. Dann kriechen wir in die Kojen, die sich noch etwas kalt anfühlen. Ich schlafe oben, ist doch einfach, sich hochzuhieven.

Am nächsten Morgen rollen die Wellen. Henk sagt, wir sollen die Bewegungen einfach mitmachen. Das geht am besten in der Koje, liegend. Die ersten rennen aufs WC. Wir passieren Kap Horn, das seinem Ruf alle Ehre macht. Niemand möchte im Moment Fotos machen, geschweige denn draussen sein, ist uns doch egal, dass wir Kap Horn passieren. Nur Jan ist fit, immer auf der Suche nach Essen. Henk segelt das Boot alleine, er macht das schon zum 39. Mal. Die ersten Stunden verstreichen, es werden noch viele sein. Jeder liegt alleine in seiner Koje, mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen. Was ist die beste Strategie gegen Seekrankheit? Unterschiedliche Rezepte, mit unterschiedlichem Erfolg. An Essen denkt niemand, zum Trinken muss man sich zwingen. Ich zähle die Stunden, dann Tage und Nächte. Das Fenster im Bad sieht aus wie das Guckloch an der Waschmaschine im Hauptwaschgang. Am zweiten Nachmittag wird es ruhiger, wir trauen uns raus aus der Koje, Zähne putzen, einen Cracker essen, eine Stunde draussen sitzen, mitten in der Drakepassage mit blauem Himmel, wunderbar. Das Nachtessen, Reis mit Fisch und Curry geht noch nicht runter.

Wir motoren in die dritte Nacht hinein, der nächste Sturm zieht auf. Der Wind hat von Südwest auf Nordost gedreht, Henk wendet das erste und einzige Mal auf der Überfahrt. Das schafft Abwechslung beim Liegen in der Koje, bisher hingen wir im Leesegel, jetzt lehnen wir am Schiffsrumpf an, der ziemlich kalt ist. Ich polstere mit der Decke, manchmal hänge ich auch das Fenster zu, will die Waschmaschine draussen nicht sehen. Dann und wann ziehe ich meinen Arm aus dem warmen Schlafsack und Silver hält von unten meine Hand. Wann hat dieser Horror ein Ende? Am dritten Tag geht immerhin schon eine Banane runter und am Abend etwas Suppe. Sollten wir nicht bald mal ankommen? Als grösste Herausforderung weist sich nicht die Seekrankheit, sondern die Länge der Überfahrt. Diese einsamen Stunden in der Koje, manchmal im Halbschlaf, manchmal hell wach. Viele Gedanken ziehen ungeordnet durch den Kopf, ab und zu bleibt einer hängen, formt sich, verflüchtigt sich wieder. Draussen toben die Elemente, drinnen knackt und ächzt es, der Wind heult, das Schiff wird von den Wellen hin- und hergeworfen. Angst, nein, Angst haben wir nicht.

Unser Ziel ist Hannah Point auf Livingston Island. Der Wind aus NE zwingt uns aber zum Umfahren der Insel. Die vierte Nacht in der Koje, wir fühlen uns besser, aber die Überfahrt zehrt, zu gerne würden wir Fuss an Land setzten. Am vierten Tag sind wir mehr oder weiniger alle auf, alles ist besser, als in der Koje zu liegen. Das Meer wird langsam ruhiger, dann tauchen grosse Felsen auf, Snow-Island auf der einen, Smith Island auf der anderen Seite. Ein unbeschreibliches Gefühl, anzukommen. Es dauert noch eine ganze Weile, aber dann fällt der Anker, es wird ganz still!!! Wir haben die Drake-Passage hinter uns.

Wir geniessen das Festessen mit Fleisch und Gemüse. Heute Nacht werden wir uns schnarchen hören, so ruhig ist es. Drüben an Land liegen See-Elefanten, die ersten Pinguine tauchen neugierig ums Boot. Welcome at the South Shetland Islands.
Freitag, 3.1.14 - 24.1.14
If you want to track the progress/location of our expedition, please use the following link:

www.marinetraffic.com

The vessels MMSI number is 211566000, but one may also search the website by using the vessels name Sarah W. Vorwerk. The page does not always work, as the tracking at times has flaws in it. But around Palmer/Pleneau/Petermann there is good coverage of the signal and as long as the boat is there, it should work fairly well.

Unsere Mitseglerin Sivani schreibt einen Blog. www.everthewayfarer.com

Mo

24

Feb

2014

Erinnerungen

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Mo

26

Aug

2013

Photo Expedition Antarctica

Sarah Vorwerk
Sarah Vorwerk

Im Januar 2014 werden wir mit der Sarah Vowerk (www.sarahvorwerk.net) und mit Laurent Dick (www.sailantarctica.com) in die Antarktis reisen. Nicht ganz alltäglich, dieser Segeltörn.

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Unique and exclusive sailing expedition to the last continent.

Im Januar ist Sommer in der Antarktis. Trotzdem kann es dann schön kalt werden.